Dominika Egerer
Ausstellung „WABI – SABI“ in der Orangerie im Englischen Garten, 25.-28.Juli 2024
Wenn wir uns eine Urgewalt vorstellen müssten, wäre das nicht der Urknall, sondern die Urmutter. In der Kunstgeschichte die Venus von Willendorf, in der Literatur Camille Paglias Werk „Sexualität und Gewalt oder: Natur und Kunst“.
Dominika Egerer 1974 in Stettin geboren, die Mutter eine charakterstarke Bohemienne, die Großmutter willensstark, die Urgroßmutter eine Künstlerin die in Oslo und Paris studierte, lebte und wirkte. Egerer wuchs zum Teil auf einem Handelsschiff auf da der Vater Ingenieur auf der Flotte Europa – Brasilien war. Seit 1985 lebte sie mit ihren Eltern in München im engen Kreis Cosy Pieros. Queernes, Spektakel und Freigeist waren großgeschrieben im München der 70er 80er Jahre. Umso verwunderlicher, dass die Eltern Egerers den Wunsch Fotografie zu studieren,
mit dem Verweis auf „Brotlose Kunst“ nicht befürworteten und sie sich stattdessen für die Wirtschaftslehre entschied.
Seit mehr als fünf Jahren widmet sie sich nun zielstrebig und mit voller Kraft der Malerei, der Installation und der Collage.
Nach Privatunterricht bei dem anerkannten Künstler Boban Andjelkovic, begann sie ein Studium bei Prof. Matthias Dornfeld das sie im Herbst dieses Jahres als Meisterschülerin abschließen wird.
Durch das Malen mit Stöcken an denen Pinsel angebracht sind wird die Hand geschwächt und das sanfte gestärkt. Ohne starken Druck, mal mit der linken, mal mit der rechten Hand, entstehen Linien und Flächen und eine Art Zufälligkeit. Unordnung herrscht bei Leinwandarbeiten dagegen bei Papier konsequente Ordnung. Nepalpapier hängt sie in Objektrahmen, näht die Arbeiten zum Teil an den Hintergrundkartons an, anstatt diese zu kleben.
WABI, das Schöne, der Anfang. SABI, Abrieb und Vergänglichkeit.
Der kombinierte Begriff WABI-SABI im 16. Jahrhundert in Japan geprägt, gilt als Weltanschauung, die neben der Schönheit ebenso die Unvollkommenheit und Vergänglichkeit der Dinge schätzt. Das steht in starkem Kontrast zu westlichen Ideologien wie Materialismus, Perfektionismus und Jugendwahn. Selbst unsere Körper werden nun zur Ware, zu Kapital, mit Steigerung der Rendite durch ästhetische Eingriffe.
Schönheit ist für Dominika Egerer die Spur des Lebens, die Falte.
Egerer setzt hiermit ein Gegengewicht zur hochästhetisierten Gesellschaft.
Natürlich kennen wir die Konnotation der „Ästhetik des Hässlichen“, Radikalität, Provokation. Anders im Werk von Dominika Egerer, sie arbeitet still, meditativ und achtsam im Umgang mit dem Entstehenden, dem sich Gebärenden – in der abendländischen Philosophie steht Schönheit für Anwesenheit – dem Wesenhaften.
Sie arbeitet auf Nessel, Leinwand, Japanpapier, alten Kassenbüchern immer mit der Betrachtung des Seins der Materialien. Staub belässt sie auf den Leinwänden, Flecken auf dem Nessel, verblasstes auf Papieren. Es sind die Spuren der Zeit, die sie interessieren und die sie in einen Dialog mit ihrem Pinselstrich setzt.
Als Inspiration setzte sie sich mit der Arte Povera, dem Informell und dem Minimalismus auseinander. Öl, Aquarell, Acryl, Tusche, Grafit, Spachtel und Pappe. Häkeln, Nähen und Farben übereinander- schichten. Das sind ihre Werkzeuge.
Ihr Geist ist das hell-dunkel, das warm-kalt, das WABI-SABI. Die Kirschblüte Japans, die Kalligrafie, die Weisheit des fernen Ostens sprechen durch sie in einer Transzendenz und werden bildlich. Das Eigentliche ist der Prozess. Sie beobachtet das malerische Gefüge.
Und so kann ich nur mit einem Zitat von Jean-Jacques Rousseau enden, das an Aktualität nicht verloren hat.
„Wir müssen zurück in die Natur“.
Sonja Allgaier, freie Kunstvermittlerin